23.01.2025 - 17:16 Uhr

DIW: Mehr Einwanderung könnte Wachstumspotenziale deutlich erhöhen

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin (DIW) dringt für mehr Wachstum auf eine verstärkte Einwanderung.

Der Fachkräftemangel drohe zunehmend zum limitierenden Faktor für das Produktionspotenzial zu werden, schreiben die DIW-Ökonomen Angelina Hackmann, Teresa Schildmann und Konstantin Kholodilin in einer gemeinsamen Untersuchung. Die Babyboomer-Generation erreiche zunehmend die Regelaltersgrenze und dürfte damit aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Allein die demografische Alterung führe somit dazu, dass das inländische Erwerbspersonenpotenzial zwischen 2025 und 2029 im Durchschnitt voraussichtlich um etwa 300.000 Personen pro Jahr zurückgeht, warnen die DIW-Ökonomen. Die Wachstumsrate des deutschen Produktionspotenzials, das zwischen 2015 und 2023 bei durchschnittlich 1,2 Prozent lag, werde dann auf lediglich 0,4 Prozent schrumpfen. Die Fähigkeit, zusätzlichen Wohlstand zu schaffen und diesen gerecht zu verteilen, werde zunehmend eingeschränkt. Zwar könnten Frauen und Personen am Ende des Berufslebens die Ausweitung von bezahlbaren Kinderbetreuungsmöglichkeiten, eine Reform des Ehegattensplittings sowie die Schaffung von Arbeitsanreizen für Ältere zu einem stärkeren Engagement bewegt werden, das allein reiche aber nicht, so die Wirtschaftswissenschaftler. Die Relevanz von Migration für den deutschen Arbeitsmarkt und die Gesamtwirtschaft deute sich bereits seit einiger Zeit an. Seit Beginn des Jahres 2023 werde der Aufbau der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten lediglich durch ausländische Staatsangehörige getragen. Während die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausländischer Staatsangehöriger auch im dritten Quartal 2024 gegenüber dem Vorjahresquartal um rund 277.000 Personen (+5,2 Prozent) gestiegen ist, ging die Zahl der Beschäftigten mit deutscher Staatsangehörigkeit im gleichen Zeitraum um etwa 125.000 Personen zurück (?0,5 Prozent), berechnen die DIW-Mitarbeiter. Eine Nettoeinwanderung von null hätte anhand von DIW-Schätzungen zur Folge, dass die Anzahl der Erwerbspersonen von derzeit 63,5 Millionen auf weniger als 62 Millionen im Jahr 2029 schrumpfen würde. Um die Potenzialrate bis 2029 wieder zu ihrem langfristigen Mittelwert von 1,1 Prozent zurückzubringen, müsste die Anzahl der Erwerbspersonen bis dahin um insgesamt 1,5 Millionen steigen. Bei einem Migrantenanteil im Erwerbsalter von 75 Prozent würden hierfür zwei Millionen neue Einwanderer benötigt, rechnen die DIW-Ökonomen vor. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz von 2019, das im Jahr 2023 noch einmal grundlegend erweitert wurde, könnte einer stärkeren Einwanderung dienlich sein. Allerdings sei es nur einem Drittel der ausländischen Fachkräfte bekannt. Neben bürokratischen Hürden wie der Visaerteilung und Problemen bei der Anerkennung des Abschlusses vermissen Interessierte vor allem Unterstützung bei der Arbeitssuche aus dem Ausland und dem Erlernen der deutschen Sprache, schreiben die Autoren. Auch unternehmensseitig zeigten Befragungen des Betriebspanels des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), dass nach wie vor Schwierigkeiten, Qualifikationen richtig einzuschätzen, sowie bürokratische und rechtliche Hürden die aktive Rekrutierung von Fachkräften aus dem Ausland erschweren. Auch Erwerbsmigranten, die bereits in Deutschland arbeiten, beklagten Missstände: Insbesondere berichten 56 Prozent der Befragten von Diskriminierung, insbesondere bei der Wohnungssuche und im Alltag. Zudem wird als eine Hürde auch mangelnde Unterstützung bei der Jobsuche des Partners genannt. Im Schnitt 838.000 Personen aus Nicht-Asylherkunftsländern verließen von 2015 bis 2023 Deutschland wieder, erklärten die DIW-Forscher. Geflüchtete seien dagegen von Barrieren wie einem temporären Beschäftigungsverbot und einer Ungewissheit über den künftigen Aufenthaltsstatus während der Asylverfahren ausgesetzt. Die Verkürzung der Dauer der Asylverfahren, die im Jahr 2024 durchschnittlich 8,7 Monate betrug, wäre daher eine wichtige Maßnahme, die die Unsicherheiten für betroffene Personen und mögliche Arbeitgeber schneller abbauen und eine zügigere Arbeitsaufnahme ermöglichen würde, schreiben die DIW-Ökonomen. Neben Sprachkursen seien auch Weiterbildungen geboten.