26.11.2024 - 10:53 Uhr

Karlsruhe schränkt Krankenhausvorbehalt bei Zwangsmaßnahmen ein

Die ausnahmslose Vorgabe, dass ärztliche Zwangsmaßnahmen im Rahmen eines stationären Aufenthalts in einem Krankenhaus durchgeführt werden müssen, ist verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt.

Das entschied das Bundesverfassungsgericht am Dienstag mit fünf zu drei Stimmen. Das Gericht verpflichtete den Gesetzgeber, bis zum Ablauf des Jahres 2026 eine Neuregelung zu verabschieden. Bis dahin gilt das bisherige Recht fort. Widerspricht eine Untersuchung, eine Behandlung oder ein ärztlicher Eingriff dem natürlichen Willen eines Betreuten, kann ein Betreuer in die ärztliche Zwangsmaßnahme einwilligen. Die Durchführung der Zwangsmaßnahme muss bislang im Rahmen eines stationären Aufenthalts in einem Krankenhaus erfolgen. Das Bundesverfassungsgericht urteilte nun, dass dieser Krankenhausvorbehalt mit dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit unvereinbar ist, wenn durch den Aufenthalt "erhebliche Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit zumindest mit einiger Wahrscheinlichkeit" drohen. Ambulante Zwangsmaßnahmen sollen künftig dann ermöglicht werden, wenn in der Einrichtung, in der die Betreuten untergebracht sind, der Krankenhausstandard nahezu erreicht wird und die Beeinträchtigungen vermieden oder jedenfalls signifikant reduziert werden können. Außerdem dürfen andere Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit oder einer anderen grundrechtlich geschützten Position mit vergleichbarem Gewicht nicht drohen. Das Gericht argumentiert, dass der Gesetzgeber mit der bisherigen Regelung zwar legitime Zwecke verfolge. So ziele der Krankenhausvorbehalt unter anderem darauf ab, eine angemessene fachliche Versorgung der Betroffenen sicherzustellen. Dass die Regelung ausnahmslos bleibt, sei jedoch unverhältnismäßig. Das Gewicht des Eingriffs in das Selbstbestimmungsrecht und die körperliche Integrität sei "hoch, in Einzelfällen sogar sehr hoch". In seiner abweichenden Meinung äußert Verfassungsrichter Heinrich Wolff deutliche Bedenken an dem Urteil. Die Einführung weiterer Formen der Zwangsbehandlung berge die Gefahr, dass die materielle Eingriffsschwelle abgesenkt werden könnte.