04.11.2024 - 07:24 Uhr

Trump: Politiker halten Europa für verwundbarer als 2016

Nach Ansicht von Politikern und Sicherheitsexperten haben sich Deutschland und Europa völlig unzureichend auf einen möglichen Wahlsieg Donald Trumps vorbereitet.

"Unabhängig davon, ob Kamala Harris oder Donald Trump die US-Wahl gewinnt: Wir Europäer werden mehr Verantwortung für uns selbst übernehmen müssen", sagte CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz dem "Handelsblatt". Amerika werde nicht mehr die Ordnungsmacht sein, die es 70 Jahre lang war, so Merz. "Also müssen wir Europäer erstens viel stärker als bisher für unsere Sicherheit sorgen, zweitens sehr rasch unsere Wettbewerbsfähigkeit verbessern." Die USA wählen am Dienstag einen neuen Präsidenten, in den Umfragen liegen Trump und die demokratische Präsidentschaftsbewerberin Kamala Harris gleichauf. Der Überfall auf die Ukraine habe "die Verwundbarkeit Europas sehr viel deutlicher gemacht, als das in den ersten vier Jahren unter Trump der Fall war", mahnt Emily Haber, die als Deutsche Botschafterin in Washington die erste Trump-Präsidentschaft erlebt hat. Haber warnt insbesondere vor den Folgen für Deutschland im Falle eines Wahlsiegs von Trump: "Wenn die strategische Absicht die Fragmentierung des europäischen Konsenses ist, dann ist es klar, dass der größte und wirtschaftsstärkste Staat in Europa ins Visier genommen wird." Ein Trump-Sieg sei "eine klare Gefahr für Europa", sagte auch Ian Bremmer, Chef der Beratungsfirma Eurasia Group. Mit Protektionismus, Alleingängen in der Russlandpolitik und Forderungen nach höheren Rüstungsausgaben würde Trump den Kontinent zu einem Zeitpunkt konfrontieren, "an dem die europäischen Regierungen gespaltener und schwächer wirkten". "Bisher hat kein europäisches Land, einzeln oder gemeinsam, den Willen gezeigt, angemessene Kapazitäten aufzubauen, um sich gegen Russland verteidigen zu können", sagte Ben Hodges, früherer Oberkommandierender der US-Landstreitkräfte in Europa, dem "Handelsblatt". Christoph Heusgen, Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, forderte insbesondere von Deutschland mehr Einsatz: "Als größte Volkswirtschaft in der Europäischen Union sollte Deutschland auch in Verteidigungsfragen eine Führungsrolle einnehmen." Es sei ein "gravierender Fehler", mit dem Sondervermögen für die Bundeswehr nur einen "einmaligen Fonds" geschaffen und das Verteidigungsbudget nicht dauerhaft erhöht zu haben, kritisierte Unionsfraktions-Vize Johann Wadephul. Ex-Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) hält es vor allem für einen Fehler, sich nicht stärker um bessere Beziehungen zu Frankreich bemüht zu haben. "Das größte Versagen der deutschen Politik ist es, zugelassen zu haben, dass das deutsch-französische Verhältnis so schlecht ist, wie nie zuvor in der Nachkriegsgeschichte", sagte der Vorsitzende der Altantik-Brücke. "Europa fehlt damit ein politisches Zentrum, das auch die engagierteste EU-Kommission nicht ersetzen kann."