Konstantin von Notz, Innenexperte und stellvertretender Vorsitzender der Grünen-Fraktion im Bundestag, hofft nach dem Anschlag von Magdeburg auf eine sachliche sicherheitspolitische Debatte.
"Niemand wird die AfD davon abhalten, mit rassistischem Wahnsinn auf diese Situation zu reagieren und die Ausweisung von ausländischen Ärzten oder Ähnliches zu fordern", sagte von Notz den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "Aber ich glaube, es ist trotzdem möglich, im Wahlkampf jetzt eine sachliche Diskussion über unsere Sicherheitspolitik und dringend notwendige Verbesserungen zu führen. Es gibt da genug zu besprechen." Die Menschen seien nicht dumm, sagte der Grünen-Politiker. Sie wüssten, dass es hundertprozentige Sicherheit nicht gebe. "Aber sie wollen zurecht, dass die Sicherheitsbehörden funktionieren."
Der Innenpolitiker fühlt sich durch den Anschlag in Magdeburg "frappierend" an den Anschlag vom Breitscheidplatz erinnert: "Es scheint wieder ein bisschen zu sein wie damals, dass der Täter bekannt war, dass es Hinweise auf die von ihm ausgehende Bedrohung gab, aber einfach nicht gehandelt wurde." Ein mögliches Problem sind nach seiner Einschätzung die föderalen Strukturen der Behörden. "Wenn der zuständige Staatsanwalt in Magdeburg am Tag nach der Tat noch nie davon gehört hat, dass es gegen diesen Mann in anderen Bundesländern schon Verfahren gab, dann haben wir offensichtlich auch ein Problem mit dem Teilen und Zusammenführen von Informationen." Es könne nicht sein, dass es einem Täter zum Vorteil gereiche, wenn er seine Aktivitäten auf mehrere Bundesländer verteilt.
Forderungen nach der Einführung einer Vorratsdatenspeicherung als Reaktion auf den Anschlag wies er auch deshalb zurück. "Die Behörden haben ja offenbar nicht mal die öffentlichen Tweets dieses Mannes gelesen", sagte von Notz. "Man hat hier kein Defizit an Durchgriffsoptionen, man hat ein Handlungsdefizit."
Ähnlich äußerte sich Grünen-Parteichefin Franziska Brantner: "Es zeichnet sich ab, dass es - wie auch schon bei anderen Fällen zuvor - kein Erkenntnisproblem der Behörden zum mutmaßlichen Täter gab, sondern eher ein Umsetzungsproblem", sagte sie den Funke-Zeitungen. Jetzt müsse aufgeklärt werden, wie im Land und auf Bundesebene mit den vorliegenden Informationen umgegangen wurde. "Wir sehen schon seit langem Handlungsbedarf bezüglich der Befugnisse der Nachrichtendienste und veränderter gesetzlicher Regelungen, um einen besseren Informationsaustausch zu gewährleisten."