Der Präsident des Deutschen Landkreistags, Achim Brötel (CDU), warnt vor einem finanziellen Kollaps der Kommunen.
"Der Landkreistag hat in diesem Jahr ein Defizit von 2,6 Milliarden Euro für die Landkreise vorhergesagt", sagte Brötel der "Welt". Das wäre eine noch nie dagewesene Größe. "Insbesondere in unseren Sozialhaushalten reichen die Ansätze vielfach nicht aus." Die Kreise stünden deshalb vor einem Rekorddefizit - und das nicht, weil man ein Einnahmeproblem habe, sondern weil einen schlicht die gesetzlich verordneten Ausgaben "erdrücken".
Der CDU-Politiker, der Landrat des Neckar-Odenwald-Kreises ist, forderte zur Linderung der Probleme einen höheren Anteil am Steueraufkommen: "Bislang erhalten die Kommunen rund zwei Prozent von der Umsatzsteuer zugewiesen. Der kommunale Anteil an der Umsatzsteuer muss sich von heute knapp 8,2 Milliarden Euro auf mindestens 17,5 Milliarden Euro erhöhen." Das wäre ein Befreiungsschlag, der zu Rückführungen zum Beispiel bei bestimmten Förderprogrammen führen könnte.
In den Kommunen selbst sieht er keine Einsparmöglichkeiten mehr. "Alle Schrauben, an denen auf unserer Ebene gedreht werden kann, sind schon längst am Anschlag. Die Landkreise sind ausgepresst wie eine Zitrone. Städte, Gemeinden und Landkreise erhalten momentan 14 Prozent der Steuereinnahmen und sollen damit 25 Prozent der Ausgaben bestreiten. So etwas kann auf Dauer nicht gut gehen", sagte Brötel.
"Wir brauchen deshalb dringend einen Systemwechsel. Eine grundständige, Aufgaben-angemessene Finanzierung. Oder kurz: das Geld, das nötig ist, um die staatlichen Aufgaben überhaupt erfüllen zu können." Er warnte vor den Folgen, sollten die Kommunen ihre finanziellen Engpässe nicht überwinden können. "Wenn die Landkreise ihre Aufgaben irgendwann nicht mehr erfüllen können, also der Sozialstaat vor Ort ins Stocken gerät, führt das auf dem direkten Weg in die Ungerechtigkeit. Genau das müssen wir aber unbedingt vermeiden und deshalb alles dafür tun, dass wir handlungs- und leistungsfähig bleiben", so Brötel.
Der Landkreistagspräsident fordert ein Ende des Bürgergeld-Bezugs für ukrainische Flüchtlinge und eine Reform der Sozialleistung. Er drängt außerdem darauf, die Kommunen bei der Lösung gesamtstaatlicher Herausforderungen stärker einzubinden. "Tatsächlich erlebe ich in der Bundespolitik oft, dass eher die Abgrenzung als der gemeinsame Wille zur Problemlösung betont wird. Das hilft dem Land nicht", kritisiert Brötel.
"Nötig wäre es zudem, in der Politik wieder sehr viel mehr praktischen Sachverstand einzubringen. Davon gibt es auf der kommunalen Ebene wirklich sehr viel. Dass wir die verschiedenen Flüchtlingswellen und nicht zuletzt auch die Corona-Pandemie so gut bewältigt haben, war die Leistung der Landkreise, Städte und Gemeinden. Was Bund und Länder in der Pandemie dazu beigetragen haben, war meiner Wahrnehmung nach in weiten Teilen hingegen bestenfalls nicht schädlich."